Pflichten des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer ist durch den Vertrag hauptsächlich zur Leistung der vereinbarten Arbeit verpflichtet. Darüber hinaus treffen den Arbeitnehmer auch Nebenpflichten. Diese können sich sowohl unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag als auch aus dem Gesetz ergeben oder Bestandteil eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung sein.
1. Arbeitspflicht als Hauptleistungspflicht
Mit Abschluss des Arbeitsvertrages verpflichtet sich der Arbeitgeber nach § 611 BGB „zur Leistung der versprochenen Dienste“. Die Leistungspflicht ist dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer dem richtigen Gläubiger die richtige Leistung zur richtigen Zeit am richtigen Ort erbringt.
(1) Inhalte der Hauptleistungspflicht
a. Schuldner und Gläubiger der Arbeitsleistung
Schuldner der Arbeitsleistung ist der Arbeitnehmer. Im Zweifel hat dieser nach § 613 S. 1 BGB seine Arbeitsleistung in Person zu leisten. Das heißt, es ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht gestattet, seine Arbeit vorübergehend durch Dritte zu leisten, es sei denn, dies wurde im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart oder der Arbeitgeber hat der Vertretung vorher zugestimmt.
Umgekehrt kann jedoch auch der Arbeitgeber nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Verhinderung seiner Person (z.B. durch Krankheit) einen Vertreter schickt.
Gläubiger des Anspruchs auf die Arbeitsleistung ist der Arbeitgeber. Dieser kann den Anspruch auf die Arbeitsleistung jedoch auch auf einen anderen übertragen. Somit kann der Arbeitnehmer durch Arbeitsvertrag oder kraft des Weisungsrechts des Arbeitgebers dazu verpflichtet sein, für einen Dritten oder im Betrieb eines Dritten tätig zu werden.
b. Pflichtgemäße Leistung der Arbeit
Welche Art der Arbeit der Arbeitnehmer zu leisten hat, ergibt sich grundsätzlich aus dem Arbeitsvertrag. Da dieser jedoch die zu leistende Arbeit meist nur grob umschreibt (z.B. Hilfsarbeiter, Bürohilfskraft), müssen Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung genauer konkretisiert und ergänzt werden. Dies geschieht, indem der Arbeitgeber sein Weisungsrecht (Direktionsrecht) ausübt. Im Folgenden wird zunächst auf das Weisungsrecht im Allgemeinen eingegangen. Sodann wird das Weisungsrecht hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung genauer aufgezeigt.
c. Weisungsrecht des Arbeitgebers
Gesetzlich normiert ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers in § 106 GewO. Demnach kann der Arbeitgeber…
„…Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, einen anwendbaren Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“.
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers gilt jedoch nicht uneingeschränkt.
i. Rechtsgrundlage und Inhalt des Weisungsrechts
Die Rechtsgrundlage für das Weisungsrecht ergibt sich nicht aus § 106 GewO, sondern bereits unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag. Dessen wesentlicher Inhalt ist immer das Direktionsrecht, auch wenn dieses nicht ausdrücklich vereinbart wurde: Durch den Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer zu einer weisungsgebundenen Arbeit. Deshalb folgt bereits aus der Natur des Arbeitsverhältnisses das Recht des Arbeitgebers, die Pflichten des Arbeitnehmers, welche der Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschreibt, im Einzelnen festzulegen.
Das Weisungsrecht ist zudem ein Gestaltungsrecht, das vom Arbeitgeber immer wieder ausgeübt werden kann, um die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers zu konkretisieren oder zu ändern. Einer Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf es nicht. Dabei kann der Arbeitgeber nicht nur die Hauptleistung des Arbeitnehmers bestimmen, sondern auf die arbeitsbegleitende Ordnung im Betrieb (z.B. Rauchverbote, Parkplatzbenutzung oder Kleiderordnung) festlegen (§ 106 S. 2 GewO).
ii. Grenzen des Weisungsrechts
Das Weisungsrecht gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Leistung des Arbeitnehmers einseitig zu bestimmen. Daher sind dem Weisungsrecht verschiedene Grenzen gesetzt. Diese können sich aus höherrangigen Regelungen, aus den Beteiligungsrechten des Betriebsrats, dem Arbeitsvertrag selbst und aus dem Gebot des billigen Ermessens gemäß § 315 Abs. 1 BGB ergeben.
• Höherrangige Regelungen
Das eingangs bereits beschriebene Hierarchieprinzip gilt nicht nur für den Arbeitsvertrag selbst, sondern auch in Bezug auf das Weisungsrecht. Dies bedeutet: Alle zwingenden Vorschriften, die auf einer höheren Stufe in der Normenhierarchie stehen (insbesondere Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen) gehen dem Weisungsrecht vor. Das Weisungsrecht selbst ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag und steht somit nach diesem auf der untersten Stufe in der Normenhierarchie (siehe Schaubild Normenhierarchie oben.).
• Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bilden Grenzen für das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Durch die Betriebsverfassung wird die Leitungsmacht des Arbeitgebers beschränkt. Danach kann er einige Entscheidungen, welche den Arbeitnehmer betreffen, nicht gänzlich alleine treffen, sondern muss den Betriebsrat beteiligen. Sofern im Betrieb des Arbeitgebers ein Betriebsrat besteht, bildet die Betriebsverfassung eine wichtige Schranke des Weisungsrechts des Arbeitgebers.
• Arbeitsvertragliche Grenzen
Neben den bisher genannten Beschränkungen bildet der Arbeitsvertrag die mitunter wichtigste Grenze für die Ausübung des Weisungsrechts. Dies folgt aus der einfachen Tatsache, dass der Arbeitsvertrag (wie zuvor schon erwähnt) die Rechtsgrundlage für das Weisungsrecht bildet. Das Weisungsrecht kann somit nicht über das hinausgehen, was im Arbeitsvertrag bestimmt ist. Daraus folgt auch, dass das, was im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt ist, nicht im Nachhinein einseitig durch den Arbeitgeber geändert werden kann. Um arbeitsvertragliche Bestimmungen zu ändern, bedarf es entweder eines Änderungsvertrages oder einer Änderungskündigung.
• Grundsatz des billigen Ermessens, § 315 Abs. 1 BGB
Eine letzte wichtige Grenze für die Ausübung des Weisungsrechts neben den bereits aufgezeigten Grenzen des Weisungsrechts bildet der Grundsatz des billigen Ermessens. Nach dem Wortlaut des § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nur „nach billigem Ermessen“ ausüben (s.o.). Damit verweist die Norm auf die Vorschrift des § 315 BGB, in welcher das billige Ermessen geregelt ist. Dies bedeutet, der Arbeitgeber kann sein Weisungsrecht nicht nach freiem Belieben ausüben, sondern muss dabei das billige Ermessen beachten (§ 315 Abs. 1 BGB). Entspricht die Weisung nicht dem Grundsatz der Billigkeit, ist der Arbeitnehmer auch nicht an diese gebunden (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB). Billiges Ermessen bedeutet, dass der Arbeitgeber auf die Umstände des Einzelfalles und die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen hat (§ 106 S. 3 GewO). Dabei muss der Arbeitgeber auch die Norm des § 275 Abs. 3 BGB beachten, wonach der Arbeitnehmer die Erfüllung einer Weisung aus persönlichen, auf die Leistung bezogenen Gründen (z.B. Gewissenskonflikten) verweigern kann.
iii. Versetzung und vertragsgemäße Beschäftigung
Der Arbeitgeber kann sein Weisungsrecht sowohl zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ausüben (z.B. um die Arbeitszeiten mitzuteilen), er kann aber auch im laufenden Arbeitsverhältnis Weisungen erteilen und so bestehende Regelungen ändern. Ändert der Arbeitgeber dabei z.B. die Tätigkeit oder den Ort der Arbeitsleistung, nennt man dies eine Versetzung.
Eine Versetzung bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitnehmers, sondern erfolgt auf Grundlage des Weisungsrechts des Arbeitgebers, das innerhalb der oben beschriebenen Grenzen ausgeübt werden kann. Der Arbeitnehmer muss der Versetzung somit folgeleisten. Überschreitet die Versetzung gewisse Grenzen, ist jedoch der Betriebsrat vorab anzuhören (§§ 95, 99 ff. BetrVG).
Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über die Versetzungsanordnung (z.B. neuer Arbeitsort Kiel statt bisher München) eine Weisung, die für den Arbeitnehmer offensichtlich unbillig und unangemessen ist, kann der Arbeitnehmer die Umsetzung der Weisung nach neuerer Rechtsprechung allerdings verweigern und muss dafür keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten (z.B. den Ausspruch einer Kündigung).
Erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wiederholt Weisungen, die gegen den Arbeitsvertrag verstoßen, kann der Arbeitnehmer auch eine Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung einreichen.
d. Art der Arbeitsleistung
Welche Aufgaben der Arbeitnehmer zu erfüllen hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag bzw. aus der Stellenbeschreibung. Darin ist die Tätigkeit, die vom Arbeitnehmer gefordert wird, kurz zu charakterisieren und zu beschreiben.
i. Regelung im Arbeitsvertrag und Konkretisierung
Grundsätzlich gilt: Je näher die genaue Tätigkeit des Arbeitnehmers beschrieben ist, desto enger sind die Grenzen für das Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Ist die Arbeitsleistung nur ganz allgemein beschrieben (z.B. Hilfsarbeiter, Bürohilfskraft), muss diese durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers und nach billigem Ermessen (s.o.) näher konkretisiert werden. Der Arbeitnehmer muss dann jede Arbeit übernehmen, welche dem Grundsatz der Billigkeit entspricht und bei Vertragsabschluss voraussehbar war.
Ist die Tätigkeit hingegen fachlich und konkret umschrieben (z.B. Lohnbuchhalter), so kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur solche Arbeiten zuweisen, die innerhalb dieses Berufsbildes üblicherweise in dem betreffenden Wirtschaftszweig von Angehörigen dieses Berufes geleistet werden.
Zu beachten ist hierbei Folgendes: Auch wenn die Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag zunächst nur ganz allgemein beschrieben war, kann in seltenen Fällen im Laufe der Zeit eine Konkretisierung auf eine ganz bestimmte Tätigkeit eintreten, wenn (1) dem Arbeitnehmer für eine längere Zeit nur eine ganz bestimmte Tätigkeit zugewiesen wurde und (2) der Arbeitnehmer auf die Begrenzung seines Pflichtenkreises vertrauen durfte. Der Arbeitnehmer wird dann in seinem Vertrauen geschützt. Die Rechtsprechung ist jedoch bei der Annahme einer solchen Konkretisierung bisher eher zurückhaltend.
Liegt ein Notfall vor (z.B. Brand, Überschwemmung, etc.), muss der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers kurzfristig auch andere als nach dem Arbeitsvertrag zulässige Arbeiten verrichten.
ii. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Im Hinblick auf die Art der Arbeitsleistung stehen dem Betriebsrat (eingeschränkte) Mitbestimmungsrechte zu:
Zunächst steht dem Betriebsrat nach § 87 I Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu, sofern es um Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb geht. Die Rechtsprechung handhabt dieses Mitbestimmungsrecht jedoch sehr eingeschränkt: Nur dann, wenn es um das arbeitsbegleitende Verhalten der Arbeitnehmer geht (z.B. Vorzeigen eines Werksausweises, Internetzugang zu Privatzwecken), steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu. Geht es hingegen konkret um die Erbringung der Arbeitsleistung (z.B. Erstellen von Arbeitsberichten, Internetzugang zu dienstlichen Zwecken), fällt dies allein unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht hier nicht.
Geht es um personelle Einzelmaßnahmen, zum Beispiel die Versetzung eines Arbeitnehmers, ist zudem das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu beachten. Danach ist der Betriebsrat vor jeder Versetzung zu unterrichten (§ 99 Abs. 1 BetrVG), und er kann aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen die Zustimmung zu der Versetzung verweigern.
e. Ort der Arbeitsleistung
Auch hinsichtlich des Ortes der Arbeitsleistung sind zunächst die Bestimmungen des Arbeitsvertrages maßgeblich. Dieser muss grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NachwG in den schriftlichen Arbeitsvertrag mit aufgenommen werden (siehe 2.2.3.2.)
Ist der Arbeitsort nicht im Arbeitsvertrag festgelegt, muss dieser aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Arbeitsverhältnisses, entnommen werden (§ 269 Abs. 1 BGB). Dies ist typischerweise ein bestimmter Ort innerhalb des Betriebs des Arbeitgebers. Die Arbeitsleistung kann jedoch in Einzelfällen nach der Eigenart des Arbeitsverhältnisses auch an wechselnden Orten außerhalb des Betriebes zu erbringen sein (z.B. bei Bauarbeitern, Kraftfahrern oder Angestellten im Außendienst).
Hat der Arbeitnehmer einen Arbeitsort innerhalb des Betriebs zugeordnet bekommen, hat dies zwei Konsequenzen: Zunächst kann der Arbeitgeber den konkreten Leistungsort im Betrieb (z.B. Raum 105 oder Raum 230) durch Weisung selbst bestimmen. Ein Wechsel in einen anderen Betrieb ist vom Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht gedeckt, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthält eine entsprechende Versetzungsklausel (z.B. „Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb des Unternehmens zu versetzen“). Bei einer solchen Versetzung ist nach § 99 BetrVG jedoch in der Regel der Betriebsrat zu beteiligen (s.o.).
f. Zeit der Arbeitsleistung und Nebentätigkeit
Der Faktor „Zeit“ hat im Rahmen der Erbringung der Arbeitsleistung erhebliches Gewicht, da er den Umfang der Arbeitsleistung in wesentlichen Teilen vorgibt. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer eine nach Zeitabschnitten bemessene Tätigkeit zu erbringen. Nach § 2 Abs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit „die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen“. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist hier durch diverse Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer eingeschränkt, insbesondere durch das Arbeitszeitgesetz. Das Thema Arbeitszeit wird gesondert im Folgenden Kapitel behandelt.
Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, die Leistung zu erbringen, die nach Treu und Glauben 100 % seines Leistungsvermögens entspricht. Er ist nicht berechtigt, seine Arbeitskraft bewusst zurückzuhalten. Andererseits muss er sich auch nicht verausgaben und damit seine Gesundheit gefährden. Deshalb schuldet der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft nur in dem gesetzlich, durch Tarifverträge oder im Arbeitsvertrag festgelegten zeitlichen Umfang.
Außerhalb seiner Arbeitszeit darf der Arbeitnehmer grundsätzlich auch ohne Genehmigung des Arbeitgebers eine anderweitige Nebentätigkeit ausführen. Dies folgt aus dem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. Dieses Recht des Arbeitnehmers kann jedoch durch eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung ausgeschlossen oder von einer Genehmigung abhängig gemacht werden. Ein solches Vorgehen ist jedoch nur dann zulässig, wenn diese Einschränkung der Rechte des Arbeitnehmers einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers entspricht. Ein solches kann vorliegen, wenn die Nebenbeschäftigung:
- eine Wettbewerbstätigkeit ist oder
- die Arbeitskraft des Arbeitnehmers in einem Umfang beeinträchtigt, dass er seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann.
In jedem Falle ist eine Nebentätigkeit verboten, falls es sich dabei um Schwarzarbeit handelt oder sie während eines Erholungsurlaubes oder in Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, wenn sie dem Erholungszweck des Urlaubs und der Förderung der Genesung widersprechen. Zudem sind die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zu beachten (s.o.).
(2) Folgen der Verletzung der Hauptleistungspflicht durch den Arbeitnehmer
Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist es, die versprochene Arbeit zu leisten (§ 611 BGB). Dabei handelt es sich oftmals um eine sog. absolute Fixschuld. Dies bedeutet, sie kann nicht nachgeholt werden. Dies gilt vor allem für in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer.
Dies bedeutet für den Arbeitnehmer: Erscheint er nicht oder verspätet am Arbeitsplatz, oder verlässt diesen zwischendurch unerlaubt oder kommt zu spät zur Arbeit, begeht er eine Pflichtverletzung. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall verschiedene Möglichkeiten:
- Kürzung / Verweigerung des Entgelts
- Klage auf Vertragserfüllung
- Geltendmachung von Schadensersatz
- Geltendmachung einer Vertragsstrafe
- Abmahnung und Kündigung
- bei beharrlicher Arbeitsverweigerung: außerordentlich fristlose Kündigung
a. Verweigerung des Entgelts
Begeht der Arbeitnehmer eine der oben genannten Pflichtverletzungen, und handelt es sich um eine sog. absolute Fixschuld, ist die nachträgliche Erbringung der Arbeitsleistung ausgeschlossen. Rechtlich handelt es sich hierbei um einen Fall der sog. Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift entfällt dann der Anspruch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer ist damit von der Pflicht, seine Arbeit zu erbringen, zunächst befreit.
Dabei bleibt es jedoch nicht: In diesen Fällen kann der Arbeitgeber – unter gewissen Voraussetzungen – auch die Erbringung seiner Gegenleistung, also die Zahlung des Arbeitsentgelts, verweigern. Dies hängt gem. § 326 BGB jedoch vornehmlich davon ab, wer die Nichtleistung durch den Arbeitnehmer zu vertreten hat:
Hat es der Arbeitnehmer selbst zu vertreten, dass er seine Arbeitsleistung nicht erbracht hat, wird der Arbeitgeber gem. § 326 Abs. 1 BGB von seiner Zahlungspflicht befreit.
Haben es weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber zu vertreten, dass der Arbeitnehmer seiner Leistungspflicht nicht nachgekommen ist, kann der Arbeitgeber nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich auch die Zahlung des Entgelts verweigern.
Hiervon gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen. Insbesondere das Betriebsrisiko des Arbeitgebers und die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) spielen hierbei eine wichtige Rolle. Daher entfällt der Grundsatz des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB in der Praxis oft.
b. Klage auf Vertragserfüllung
Wichtig ist, dass die Pflicht des Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen, nur an den Tagen entfällt, an denen ein solches Ereignis eintritt. Für die Zukunft bleibt der Arbeitnehmer jedoch weiterhin zur Leistung seiner Arbeit gemäß Arbeitsvertrag verpflichtet. Kommt der Arbeitnehmer dieser Pflicht nicht mehr nach, kann der Arbeitgeber nach § 611 BGB auf Erfüllung klagen. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG im Wege der Leistungsklage geltend machen. Erfolgt eine entsprechende Verurteilung des Arbeitnehmers, ist jedoch Folgendes zu beachten: Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitsleistung grundsätzlich höchstpersönlich zu erbringen. Es handelt sich somit nach dem Recht der Zwangsvollstreckung um eine sog. unvertretbare Handlung. Hierfür gilt im Arbeitsrecht eine Besonderheit: Gem. § 808 Abs. 3 ZPO kann in diesen Fällen eine Vollstreckung nicht stattfinden. Der Arbeitgeber kann lediglich nach § 61 Abs. 2 S. 1 ArbGG beantragen, den Arbeitnehmer zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen.
c. Schadensersatz wegen Nichterfüllung
Hat es der Arbeitnehmer zu vertreten, dass er seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist, hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB). Dieser Anspruch hat in der Praxis jedoch oftmals nur geringe Bedeutung. Der Arbeitgeber kann ihn nur geltend machen, soweit ihm durch die Nichtleistung des Arbeitnehmers ein Schaden entstanden ist.
Der Schaden ist also nicht prinzipiell die Bezahlung der Aushilfskraft – denn er hätte ja auch den Arbeitnehmer bezahlen müssen –, sondern nur die Differenz zwischen den beiden Gehältern. Ein Schaden entsteht dem Arbeitgeber demnach nicht, sofern die Aushilfskraft die gleiche Vergütung wie der Arbeitnehmer erhält.
Das Gleiche gilt, wenn der Ausfall des Arbeitnehmers durch einen Kollegen aufgefangen wurde und somit überhaupt keine zusätzliche Vergütung angefallen ist.
d. Vereinbarung einer Vertragsstrafe
In einzelnen Fällen kann eine Pflichtverletzung aus dem Arbeitsvertrag von den Parteien unter Vertragsstrafe gestellt werden. Dies gilt vor allem für die Fälle, in denen ein Stellenbewerber nach Abschluss des Arbeitsvertrages nicht zur Arbeit antritt oder ein Arbeitnehmer ohne hinreichenden Grund sein Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet. Die gesetzlichen Sanktionen sind in diesen Fällen eher schwach ausgebaut, sodass die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in der Praxis oftmals stattfindet. Dies ist nach der geltenden Rechtsprechung auch grundsätzlich zulässig. Zu beachten ist jedoch, dass die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Formulararbeitsverträgen der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterfällt. Demnach darf die Strafe nicht unangemessen hoch sein (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) und muss für den Arbeitnehmer klar und verständlich formuliert sein (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
2. Nebenpflichten des Arbeitnehmers
Die Nebenpflichten des Arbeitnehmers werden auch heute noch verbreitet Treuepflichten genannt. Die Nebenleistungspflichten werden als solche bezeichnet, da sie neben der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers (Pflicht zur Arbeit) bestehen. Sie ergeben sich sowohl direkt aus dem Arbeitsvertrag als auch aus dem Gesetz. In eher seltenen Fällen können sie auch in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen festgehalten sein.
Dabei ist zu beachten, dass die Nebenpflichten in den Arbeitsverhältnissen unterschiedlich ausgestaltet sind. Grundsätzlich gilt, dass Nebenpflichten in Arbeitsverhältnissen, in denen dem Arbeitnehmer ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wird (z.B. bei Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten oder leitenden Angestellten), umfangreicher sind als bei „normalen“ Arbeitsverhältnissen. Gleiches gilt für Arbeitsverhältnisse, die auf persönlichen Beziehungen der Parteien beruhen, oder bei Aufnahme des Arbeitnehmers in die häusliche Gemeinschaft. Geringere Rücksichtnahmepflichten bestehen dagegen z. B. in Aushilfs- und Ein-Tags-Arbeitsverhältnissen.
(1) Allgemeine Nebenpflichten
Allgemeine Nebenpflichten bestehen insbesondere in den sog. Verhaltenspflichten. In jedem Schuldverhältnis gilt der allgemeine Grundsatz, dass jede Vertragspartei bei der Erfüllung ihrer Pflichten und Ausübung ihrer Rechte auf die berechtigten Belange der anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen hat. Demnach hat sich der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gegenüber grundsätzlich loyal zu verhalten. Ferner hat sich der Arbeitnehmer außerdem so zu verhalten, dass dem Arbeitgeber und damit auch dem Betrieb und seinen Mitarbeitern kein Schaden zugefügt wird. So ist der Arbeitnehmer beispielsweise dazu verpflichtet, ihm anvertrautes Eigentum des Arbeitgebers (Maschinen, Werkzeuge, Material, etc.) pfleglich zu behandeln.
Die Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers bestehen grundsätzlich nur im Rahmen seiner Arbeitspflicht. Das Privatleben des Arbeitnehmers ist hiervon zu trennen. Der Arbeitnehmer hat seine private Lebensführung nicht an den Interessen des Arbeitgebers auszurichten. Jedoch hat der Arbeitnehmer im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB auch die Pflicht, sein außerdienstliches Verhalten so zu gestalten, dass berechtigte Interessen des Arbeitgebers hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Arbeitnehmer unter Nutzung der Betriebsmittel des Arbeitgebers Straftaten begeht und sich der Arbeitgeber infolge dessen strafrechtlicher Ermittlungen ausgesetzt sieht.
Des Weiteren treffen den Arbeitnehmer auch eine Reihe ausgestalteter Informationspflichten. So muss der Arbeitnehmer
- etwaige Beschädigungen an einer Arbeitsschutzeinrichtung (§ 16 I ArbSchG) und
- Arbeitsverhinderungen
- rechtzeitig anzeigen (§ 5 I EFZG).
(2) Einzelne Nebenpflichten
Nachfolgend finden sich die wichtigsten Nebenpflichten:
• Abwerbungsverbot
Möchte sich der Arbeitnehmer selbstständig machen, darf er alle erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen treffen, um nach Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses mit dem eigenen Geschäftsbetrieb beginnen zu können. Teilt er dies vorab seinen Kollegen mit, stellt dies keine Pflichtverletzung dar. Der Arbeitnehmer darf jedoch nicht auf seine Kollegen einwirken und sie dazu veranlassen, ebenfalls ihr Arbeitsverhältnis zu wechseln. Ein derartiges Verhalten berechtigt zur ordentlichen, u. U. auch zur außerordentlichen Kündigung (BAG, Urteil vom 26.06.2008, 2 AZR 190/07). Verboten ist auch die Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder das aktive Abwerben von Kunden (vgl. auch Wettbewerbsverbot).
• Betriebsfrieden
Politische Gespräche im Betrieb stellen grundsätzlich keine Störung des Betriebsfriedens dar. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist jedoch dann eingeschränkt, wenn das betriebliche Zusammenleben gestört wird. Parteipolitische Propaganda oder sonstige Werbung ist innerhalb des Betriebs regelmäßig unzulässig. Im Wiederholungsfall kann, nach vorheriger Abmahnung, durch den Arbeitgeber gekündigt werden.
• Internetnutzung
Grundsätzlich darf der Arbeitnehmer das betriebliche Internet nicht privat nutzen. Auch wenn dies nicht ausdrücklich verboten ist, muss der Arbeitgeber allenfalls eine kurzfristige private Nutzung während der Arbeitszeit dulden. Die private Internetnutzung kann jedoch dann zulässig sein, wenn der Arbeitgeber diesbezüglich eine ausdrückliche Erlaubnis erteilt hat oder dies im Laufe der Zeit ständig wissentlich geduldet hat. Nutzt der Arbeitnehmer das Internet exzessiv für private Zwecke, kann er nicht von einer Duldung des Arbeitgebers ausgehen (BAG, Urteil vom 31.05.2007, 2 AZR 200/06). Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer das Internet nutzt, um pornografische oder gewaltverherrlichende Seiten zu besuchen (BAG, Urteil vom 27.04.2006, 2 AZR 386/05).
• Kleidung
Auf die Kleidung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Einfluss, es sei denn, die Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, Schutzkleidung zu tragen. Aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen kann auch das Tragen von Schmuck untersagt werden. Ausnahmen gelten auch, sofern in dem Betrieb Publikumsverkehr besteht. Bei Vorliegen eines berechtigten Interesses kann der Arbeitgeber eine Dienstkleidung vorschreiben. Deren Anordnung unterliegt jedoch einem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 I Nr. 1 BetrVG).
• Loyalitätspflichten
Zu den oben bereits erwähnten Loyalitätspflichten gehört es insbesondere, dass der Arbeitnehmer gegenüber Dritten ruf- oder kreditschädigende Äußerungen über den Arbeitgeber unterlässt. Demnach hat der Arbeitnehmer Stillschweigen über Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu bewahren, wenn dieser durch deren Offenbarung geschädigt würde. Eine leichtfertige und unbegründete Strafanzeige durch den Arbeitnehmer rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung.
• Schmiergeldverbot
Die Annahme von Schmiergeldern ist nicht nur arbeitsrechtlich relevant, sondern sogar nach § 299 Abs. 1 StGB strafbar. Demnach ist es dem Arbeitnehmer untersagt, Geld oder eine geldwerte Leistung zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn der Geber dafür eine geschäftliche Bevorzugung erwartet. Hat der Arbeitnehmer ein Schmiergeld angenommen, ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt.
• Verschwiegenheitspflicht
Eine Verschwiegenheitspflicht kann sich sowohl aus den Nebenpflichten des Arbeitsvertrages ergeben als auch aus der gesetzlichen und strafrechtlich sanktionierten Pflicht zur Wahrung des Betriebsgeheimnisses (§ 17 I UWG). Teilt der Arbeitnehmer einem Dritten unbefugt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz oder in der einfachen Absicht, den Arbeitgeber zu schädigen, mit, macht er sich diesem gegenüber schadensersatzpflichtig (§ 19 UWG).
• Wettbewerbsverbot
Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit untersagt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag keine entsprechende Regelung enthält. Das gesetzliche Konkurrenzverbot endet grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot müsste daher ausdrücklich vereinbart werden.
(3) Folgen einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers
Verletzt der Arbeitnehmer seine Nebenpflichten, können sich daraus diverse Konsequenzen für ihn ergeben. In Betracht kommen sowohl arbeitsrechtliche Konsequenzen (z.B. Abmahnung) als auch die Haftung auf den eingetretenen Schaden.
a. Abmahnung
Verletzt der Arbeitnehmer eine Pflicht aus seinem Arbeitsvertrag, und sind weitere Pflichtverletzungen in der Zukunft zu erwarten, kommt neben dem Recht zur Kündigung als Ultima-ratio-Maßnahme der Ausspruch einer Abmahnung in Betracht.
Die Abmahnung hat in § 314 Abs. 2 S. 1 BGB ihre gesetzliche Grundlage. Sie setzt voraus, dass der Arbeitgeber
- ein bestimmtes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers „beanstandet“ (Hinweisfunktion),
- den Arbeitnehmer zu einem künftigen vertragsgemäßen Verhalten auffordert (Ermahnungsfunktion) und
- ihm für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androht (Warnfunktion)
Die Abmahnung ist eine sog. geschäftsähnliche Handlung, die keiner Form bedarf. In der Praxis wird sie jedoch schon allein aus Beweiszwecken i.d.R. schriftlich erteilt. Der Betriebsrat ist bei der Abmahnung nicht zu beteiligen.
Abmahnungsbefugt ist nicht nur der Arbeitgeber selbst, sondern auch der Fach- oder Dienstvorgesetzte des Arbeitnehmers. Das Recht zur Abmahnung unterliegt keiner Frist. Es kann aber verwirkt sein, wenn der Arbeitnehmer davon ausgehen durfte, er werde wegen seiner Verfehlung nicht mehr belangt (§ 242 BGB – Grundsatz von Treu und Glauben).
Ferner können zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen (z.B. Verspätungen) die Warnfunktion abschwächen; der Arbeitgeber muss dann die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass eine weitere Pflichtverletzung nicht mehr zu einer weiteren Abmahnung, sondern zur Kündigung führen würde.
Für die Wirksamkeit einer Abmahnung spielt es keine Rolle, ob das abgemahnte Verhalten im Wiederholungsfall eine Kündigung rechtfertigen würde. Die Abmahnung erfüllt ihre Funktion gerade dann, wenn mehrere geringfügige Verstöße (z.B. Verspätungen) abgemahnt werden und beim nächsten Verstoß die Schwelle zum Kündigungsgrund überschritten ist. Der abgemahnte und der zum Anlass der Kündigung vorgenommene Verstoß müssen dann gleichartig sein, d.h. auf derselben Wertungsebene liegen.
Eine Abmahnung kann auch entbehrlich sein, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage oder nicht willens ist, sein Verhalten zu ändern, oder wenn das Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien durch eine schwere Pflichtverletzung derart gestört ist, dass es nicht wiederhergestellt werden kann.
Gegen eine unberechtigte Abmahnung kann sich der Arbeitnehmer auf verschiedenen Wegen zur Wehr setzen:
- Er kann die Abmahnung zunächst hinnehmen, sie wird dann der Personalakte hinzugefügt. Stützt der Arbeitgeber später eine Kündigung auf die Abmahnung, kann der Arbeitnehmer sie noch im Kündigungsschutzprozess angreifen.
- Er kann eine Stellungnahme zur der Abmahnung abgeben und den Arbeitgeber dazu auffordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen bzw. die Stellungnahme des Arbeitnehmers der Personalakte hinzuzufügen.
- Er kann gegen beim Arbeitsgericht Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte erheben.
b. Haftung des Arbeitnehmers für eingetretene Schäden
Eine Haftung des Arbeitnehmers kann dann eintreten, wenn er bei seiner beruflichen Tätigkeit bestimmte Pflichtverletzungen begeht und dadurch einen Schaden verursacht. Der Arbeitgeber ist in diesen Fällen nicht dazu berechtigt, das Arbeitsentgelt einseitig zu mindern. Ihm kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer zustehen.
Hierbei ist jedoch zu beachten: Fügt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber oder einem Arbeitskollegen durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit einen Personenschaden zu, tritt nach § 105 Abs. 1 SGB VIII die gesetzliche Unfallversicherung ein. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unfallversicherung nicht vor, haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich zunächst voll privat für den verursachten Schaden.
Gesetzliche Grundlage für die Haftung für Schäden im Arbeitsverhältnis sind die §§ 280, 276 i.V.m. § 619 a BGB. Entsteht der Schaden während einer betrieblich veranlassten Tätigkeit, ist die Haftung des Arbeitnehmers aufgrund der höheren Gefahren, die damit verbunden sind, und der potentiell hohen Schäden, die dadurch entstehen und den Arbeitnehmer in finanzielle Schwierigkeiten bringen können, erheblich gemildert (sog. innerbetrieblicher Schadensausgleich). Demnach haftet der Arbeitnehmer, wenn
Inwieweit der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber haftet, bestimmt sich nach seiner Verantwortlichkeit – also dem Grad, nach dem der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung zu vertreten hat:
Bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer uneingeschränkt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich voraussehen konnte und ihn für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf nimmt. Hält der Arbeitnehmer den Schadenseintritt zwar für möglich, vertraut aber darauf, dass er nicht eintreten werde, handelt es sich um grobe Fahrlässigkeit.
Bei leichtester Fahrlässigkeit scheidet eine Haftung des Arbeitnehmers aus, da hier das Betriebsrisiko des Arbeitgebers gegenüber dem Verschulden des Arbeitnehmers überwiegt. Von leichtester Fahrlässigkeit werden nur solche Pflichtverstöße erfasst, die an der Grenze zum Zufall liegen und jedem in vergleichbarer Situation unterlaufen können. Solche Fälle sind äußerst selten.
Bei normaler bzw. mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und der rechtlich missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt voraussehbar und vermeidbar gewesen wäre.
Zur Bestimmung des Umfangs der Schadensersatzpflicht muss das Verschulden des Arbeitnehmers mit dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers als Zurechnungsfaktor für die Mitverantwortung abgewogen werden. Im Rahmen dieser Abwägung sind zu berücksichtigen
Nach Auffassung des BAG müssen darüber hinaus auch persönliche Umstände wie
- die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers,
- Lebensalter und
- Unterhaltspflichten
berücksichtigt werden.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen. Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in der Regel in voller Höhe. Ausnahmsweise kommt nach der Rechtsprechung des BAG insbesondere bei einem deutlichen Missverhältnis zwischen dem Verdienst des Arbeitnehmers und dem Schadensrisiko der Tätigkeit eine Einschränkung der Haftung in Betracht. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, dass der Arbeitnehmer durch den Haftungsbetrag nicht auf Dauer in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet werden soll. Bei besonders grober Fahrlässigkeit scheidet eine Schadensteilung allerdings aus.
Trägt der Arbeitgeber ein gewisses Mitverschulden an dem Eintritt des Schadens (z.B. wegen mangelhafter Überwachung der Tätigkeit), wird dieses im Rahmen des Umfangs der Haftung über § 254 BGB auf beide Parteien verteilt.
Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für die Pflichtverletzung sowie für das Maß des Verschuldens des Arbeitnehmers. Diese Regel gilt insbesondere auch für den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Der Arbeitnehmer hat die Voraussetzungen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung zu beweisen, also insbesondere, dass er den Schaden bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit verursacht hat.