Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung

Auslauffristen können nicht nur bei außerordentlichen betriebs- oder personenbedingten, sondern auch bei außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigungen gewährt werden. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14) ist der Arbeitgeber bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Absatz I BGB nicht gezwungen, fristlos zu kündigen. Er kann die Kündigung grundsätzlich auch – etwa aus sozialen Erwägungen oder weil eine Ersatzkraft fehlt – unter Gewährung einer Auslauffrist erklären.

Geklagt hatte eine langjährig Beschäftigte, die gemäß § 34 Abs. 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) als ordentlich unkündbare Reinigungskraft eines Krankenhauses tätig war. Sie hatte im September 2013 einer Vorgesetzten angeblich eine Ohrfeige angedroht und wurde daraufhin noch im September außerordentlich gekündigt, allerdings „mit sozialer Auslauffrist zum Ablauf des 31.03.2014“. Die gekündigte Reinigungskraft erhob vor dem Arbeitsgericht Stuttgart Kündigungsschutzklage und hatte dort Erfolg (Urteil vom 30.01.2014, 10 Ca 1737/13). Auch das in der Berufung zuständige Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied zugunsten der Klägerin (Urteil vom 25.06.2014, 4 Sa 35/14). Dabei argumentierte das LAG, dass eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen generell ausgeschlossen sei.

Das BAG hob das LAG-Urteil auf, weil es der Kernaussage des LAG nicht folgen wollte, und verwies die Angelegenheit zurück an das LAG. Nach Auffassung des BAG hatte das LAG überhaupt nicht geklärt, ob das Verhalten der Reinigungskraft als „wichtiger Grund“ im Sinne von § 626 BGB angesehen werden kann oder nicht, d.h. ob darauf überhaupt eine außerordentliche Kündigung gestützt werden kann. Denn die Frage der Zumutbarkeit des Abwartens der Kündigungsfrist ist, so das BAG, rein objektiv zu beurteilen, d.h. aus der Sicht eines „verständigen“ bzw. vernünftigen Arbeitgebers. Der konkrete Arbeitgeber, der sich zu einer solchen Kündigung entscheidet, kann daher durchaus eine Auslauffrist einräumen, zum Beispiel aus sozialen Gründen oder weil er keine Ersatzkraft hat.

Zu Recht weist das BAG darauf hin, dass der Arbeitgeber bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht zwingend eine fristlose Kündigung aussprechen muss. Will er, z. B. aus sozialen Erwägungen, die Kündigung mit einer Auslauffrist aussprechen, muss er aber darauf achten, die Kündigung ausdrücklich als außerordentliche Kündigung zu bezeichnen, und auch den Betriebsrat zu einer solchen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist anhören. Anderenfalls wäre die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, gegenüber dem die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, unwirksam.