Außerordentliche Kündigung bei unberechtigter Arbeitsverweigerung
Kommt ein Arbeitnehmer nach der Feststellung der Unwirksamkeit einer zuvor ausgesprochenen Kündigung der Aufforderung des Arbeitgebers, die Arbeit wiederaufzunehmen, nicht nach, kann dies einen Grund darstellen, der „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche, verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen.
Mit Urteil vom 19.01.2016 (Az. 2 AZR 449/15) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Pflichten des Arbeitnehmers bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit nach dem Obsiegen in einem Kündigungsrechtsstreit konkretisiert.
Der Kläger war seit dem 01.08.2000 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien beginnend ab Juni 2006 mehrere Male. Der Kläger erhob jeweils Kündigungsschutzklage und erbrachte infolge der Kündigungen letztmals am 19.11.2007 Arbeitsleistungen für die Beklagte. Eine zwischenzeitlich angeordnete Änderung der Tätigkeit des Klägers stand zwischen den Parteien ebenfalls im Streit. Am 15.07.2013 wurde das Urteil rechtskräftig, das die Beklagte aufgrund der Unwirksamkeit der letzten Kündigungserklärung zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtete. Mit Schreiben vom 22.07.2013 forderte die Beklagte den Kläger in der Folge auf, sich am 24.07.2013 um 10:00 Uhr in der Hauptverwaltung zum Arbeitsantritt einzufinden und sich zunächst am Empfang zu melden. Mit Schreiben vom 23.07.2013 machte der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht wegen ausstehenden Annahmeverzugslohns geltend und beantragte für die Zeit vom 18.07.2013 bis 04.09.2013 Urlaub. Die Beklagte zahlte daraufhin die ausstehende Vergütung, wies aber zugleich darauf hin, dass der Urlaubsanspruch durch die letzte Freistellungsphase bereits erfüllt worden sei. Nachdem der Kläger die geleisteten Zahlungen als zu gering erachtet hatte und weiterhin seine Arbeitsleistung verweigerte, leistete die Beklagte eine Ausgleichszahlung und forderte den Kläger mit Schreiben vom 31.07.2013 erneut dazu auf, sich zur Arbeitsleistung im Betrieb einzufinden. Nachdem der Kläger keine Reaktion gezeigt hatte, wurde er mit drei Schreiben vom 07.08.2013, 27.08.2013 und 09.09.2013 wegen „Nichterscheinens am Arbeitsplatz“ abgemahnt und erneut vorgeladen. Nachdem vom Kläger weiterhin keine Rückmeldung gekommen war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2014. Der Kläger erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Er trug im Prozess insbesondere vor, er sei zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet gewesen, da die Beklagte nicht dazu bereit gewesen sei, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen.
Das Bundesarbeitsgericht verwies die Klage zur erneuten Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht. Es stellte hierbei fest, dass ein Arbeitnehmer nach rechtskräftigem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess seine Arbeitskraft grundsätzlich nicht von sich aus anbieten müsse. Er könne vielmehr regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten, die erkennen lässt, wann und wo die Arbeit aufgenommen werden soll. Den Arbeitgeber träfe hingegen grundsätzlich keine Obliegenheit, bei der Arbeitsaufforderung die vom Arbeitnehmer künftig zu erledigenden Arbeitsaufgaben konkret zu bestimmen. Das gelte auch dann, wenn eine vor der Kündigung erfolgte Übertragung von Aufgaben unwirksam und der Arbeitnehmer deshalb berechtigt gewesen sei, die Verrichtung der zuletzt konkret zugewiesenen Tätigkeiten zu verweigern. Solche Umstände würden den Arbeitnehmer nicht von der Pflicht entbinden, sich zur vorgegebenen Zeit am mitgeteilten Ort einzufinden und seine Arbeitskraft überhaupt zur Verfügung zu stellen. Das BAG sah damit in der Reaktion des Klägers eine sog. beharrliche Arbeitsverweigerung, die „an sich“ geeignet sei, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Praxistipp: Bevor man als Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigert, sollte man sich im Zweifelsfall immer zuvor rechtlich erkundigen, ob man dazu auch tatsächlich berechtigt ist. Ansonsten droht die Gefahr, dass das Verhalten als sog. „beharrliche Arbeitsverweigerung“ gedeutet wird, was im Einzelfall sogar ohne Abmahnung eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigen kann.