Betriebsratsvorsitzender als Datenschutzbeauftragter?

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.06.2023, Az. 9 AZR 383/19

Aus der Pressemitteilung des BAG Nr. 27/23: „Der Vorsitz im Betriebsrat steht einer Wahrnehmung der Aufgaben des Beauftragten für den Datenschutz typischerweise entgegen und berechtigt den Arbeitgeber in aller Regel, die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des BDSG in der bis zum 24. Mai gültigen Fassung (aF) zu widerrufen.“

Der Fall:

Geklagt hatte der Vorsitzende eines Betriebsrats, der zunächst als betrieblicher Datenschutzbeauftragter von der Beklagten bestellt worden war. Die Beklagte widerrief auf Veranlassung des Thüringer Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit wegen einer Inkompatibilität der Ämter die Bestellung mit sofortiger Wirkung. Der Kläger war hingegen der Meinung, dass eine Inkompatibilität nicht vorliege.

Die Entscheidung:

Die Revision der Beklagten hatte – nachdem die Vorinstanzen dem Kläger Recht gegeben hatten – vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Der Widerruf der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten war aus wichtigem Grund im Sinne des § 4 f. Abs. 3 Satz 4 BDSG aF in Verbindung mit § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB liege vor, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit im Sinne von § 4 f. Abs. 2 Satz 1 BDSG aF nicht oder nicht mehr besitzt. Die Zuverlässigkeit liege nicht vor, wenn Interessenkonflikte drohen, was nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts anzunehmen ist, wenn der Datenschutzbeauftragte eine Position innerhalb einer Einrichtung innehat, die die Festlegung von Mitteln und Zwecken der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden dürfen, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsieht. Durch Gremienbeschluss entscheidet der Betriebsrat darüber, welche Daten dem Arbeitgeber vorgelegt werden dürfen. Somit legt er in diesem Rahmen Mittel und Zwecke der Verarbeitung dieser Daten fest. Da der Betriebsratsvorsitzende im Betriebsrat eine hervorgehobene Position hat, wird die Zuverlässigkeit für das Amt des Datenschutzbeauftragten aufgehoben.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2011 ausdrücklich festgestellt, dass ein Betriebsratsmitglied nicht automatisch unzuverlässig für das Amt des Datenschutzbeauftragten sei und zwischen den beiden Ämtern grundsätzlich keine Inkompatibilität bestehe. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2023 verworfen, so dass Unternehmen in Zukunft darauf achten sollten, nicht die falsche Person zum Datenschutzbeauftragten zu bestellen.