Diskriminierung bei objektiver fehlender Geeignetheit des Bewerbers
BAG, Urteil vom 19.05.2016, 8 AZR 470/14
Nicht nur für eine Stelle geeignete Bewerber können im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs diskriminiert werden, dies gilt vielmehr auch für objektiv nicht geeignete Bewerber.
Der Fall:
Eine Wirtschaftskanzlei aus Hamburg schrieb Ende 2012 eine Rechtsanwaltsstelle in der – bei Rechtsanwälten durchaus beliebten Fachzeitschrift „Neue Juristische Wochenschrift“ (NJW) – aus. Darin suchte sie einen Kollegen mit „0 bis 2 Jahren Berufserfahrung“ zur Unterstützung eines „jungen und dynamischen“ Teams. Als Einstellungsvoraussetzung war u.a. eine „erstklassige juristische Qualifikation“ angegeben. Auf diese Stellenanzeige hin bewarb sich ein damals 59-jähriger, selbstständig tätiger Rechtsanwalt aus Regensburg, der bereits über einige Jahre an Berufserfahrung verfügte. Er hatte allerdings durchschnittliche Examensnoten und wurde im Ergebnis abgelehnt. Als Reaktion auf die Ablehnung warf der spätere Arbeitnehmer der Kanzlei Altersdiskriminierung vor und verklagte die Kanzlei auf eine Geldentschädigung in Höhe von € 10.000,00 sowie weitere € 50.000,00 Schadensersatz.
Die Entscheidung:
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG wiesen die Klage ab. Das LAG unterstellte dem Arbeitnehmer zudem, sich offensichtlich nicht ernsthaft, sondern vielmehr rein rechtsmissbräuchlich auf die Stelle beworben zu haben, um im Nachgang eine Entschädigung aufgrund von Diskriminierung zu erlangen. Das BAG hob dieses Urteil jedoch wieder auf und verwies die Sache zurück an das LAG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung.
Seine Entscheidung begründete das BAG jedoch mit einer Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung: Die Rechtsprechung, wonach ein offensichtlich ungeeigneter Bewerber keine Entschädigung wegen einer Diskriminierung verlangen könne, werde vom BAG jedoch nicht mehr aufrechterhalten. Ob demnach ein abgelehnter Bewerber objektiv für eine Stelle geeignet gewesen sei oder nicht, spiele demnach künftig keine Rolle mehr für die Frage, ob sich der Bewerber in einer vergleichbaren Position wie andere Bewerber befunden habe und demnach eine Entschädigung verlangen kann. Entscheidend sei demnach allein, dass sich der Bewerber dem Arbeitgeber zur Auswahl zur Verfügung gestellt habe.
Nach Auffassung des BAG könne es dem Bewerber künftig nicht mehr (wie nach der bisherigen Rechtsprechung) zugemutet werden, nachzuweisen, dass er im Vergleich zu anderen Bewerbern objektiv für die Stelle geeignet sei, um einen Schadensersatzanspruch zu verlangen. Dementsprechend sei es auch nicht mehr Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch, dass der Bewerber die „subjektive Ernsthaftigkeit“ seiner Bewerbung darlegt und nachweist. Vielmehr obliege es künftig dem Arbeitgeber, die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung als Rechtseinwand darzulegen und nachzuweisen. Dabei führte das BAG allerdings auch aus, dass weder die Tatsache, dass ein abgelehnter Stellenbewerber oft auf eine Entschädigung klagt, noch die Tatsache, dass er sich gezielt auf diskriminierende Stellenanzeigen bewirbt, eine Bewerbung als missbräuchlich erscheinen lässt.