Probezeitkündigung mit längerer Kündigungsfrist

Der Arbeitgeber ist berechtigt, ein Arbeitsverhältnis noch in der Wartezeit des § 1 I KSchG nicht zum erstmöglichen Termin nach der Wartezeit, sondern mit einer längeren Kündigungsfrist zu kündigen. Darin liegt keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungsfrist eine weitere Bewährungschance einräumen will.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 06.05.2015 (4 Sa 94/14) das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.10.2015 (6 Ca 1800/14) bestätigt. Der Kläger wehrte sich gegen eine Kündigung, die der Arbeitgeber einige Tage vor Ablauf der Probezeit mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten ausgesprochen hatte. Der Kläger argumentierte damit, der Arbeitgeber habe das Kündigungsrecht treuwidrig ausgeübt, da er durch eine Kündigung mit einer langen Kündigungsfrist unmittelbar vor Ablauf der Wartefrist lediglich die Umgehung des Kündigungsschutzes bezweckt habe und ihn eigentlich weiterbeschäftigen möchte. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen jedoch die Klage ab. Der Arbeitgeber hat bereits im Kündigungsschreiben ausgeführt, dass der Kläger die Probezeit nicht bestanden hat, wollte ihm aber mit der langen Kündigungsfrist noch einmal eine Bewährungschance gewähren. Aus Sicht der Arbeitsgerichte war eine treuwidrige Umgehung des Kündigungsschutzes dadurch gerade nicht gegeben. Vielmehr müssten eigennützige Ziele des Arbeitgebers hinzukommen, damit von einer treuwidrigen Umgehung des Kündigungsschutzes ausgegangen werden könne. Diese könne zum Beispiel darin liegen, dass der Arbeitgeber eigentlich überhaupt keine Beendigungsabsicht, sondern tatsächlich eine befristete Fortsetzungsabsicht habe.

Praxistipp: Das Urteil zeigt, dass Kündigungen mit einer längeren Kündigungsfrist kurz vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 I KSchG ein gewisses Restrisiko innewohnt. Erfolgt eine derartige Kündigung im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers, kann darin eine treuwidrige Umgehung des Kündigungsschutzes mit der Folge liegen, dass die Kündigung unwirksam ist. Lassen Sie sich im Zweifelsfall anwaltlich beraten. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.