Arbeitsvergütung ohne Arbeitsleistung

Es gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Zum Schutz des Arbeitnehmers wird dieser Grundsatz im Arbeitsrecht jedoch oftmals durchbrochen.

1. Vergütung bei Annahmeverzug

Der Annahmeverzug im Arbeitsverhältnis ist in § 615 BGB geregelt. Annahmeverzug ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer arbeiten will, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer jedoch nicht beschäftigen kann oder will.

Für diesen Fall ordnet § 615 BGB an, dass der Arbeitnehmer die Vergütung verlangen kann, gleichzeitig aber nicht dazu verpflichtet ist, die Arbeit für diese Zeiträume nachzuleisten. Demnach ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer zu vergüten, wenn er die Nichtbeschäftigung verursacht hat.

In der Praxis kommt dieser Fall häufig vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber eine unwirksame Kündigung ausspricht, wenn der Betrieb des Arbeitgebers aus produktionstechnischen oder wirtschaftlichen Gründen ausfällt (Betriebsrisiko des Arbeitgebers) oder im Arbeitskampf eine rechtswidrige Aussperrung des Arbeitnehmers stattfindet.

Diesen Fällen ist gemeinsam, dass der Arbeitgeber trotz fortdauernden Arbeitsverhältnisses die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt und deshalb gem. § 615 BGB zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet bleibt. § 615 BGB ist damit einer der gesetzlich geregelten Fälle, in denen Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung besteht. Der Annahmeverzug hat die folgenden Voraussetzungen:

(1) Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses

Er muss in den Zeitraum eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses fallen (z.B. auch bei nachträglicher Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung).

(2) Angebot der Arbeitsleistung

Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gem. §§ 293 ff BGB angeboten hat. Hierfür ist grundsätzlich gem. § 294 BGB ein tatsächliches Arbeitsangebot erforderlich. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsort in Arbeitskleidung aufsuchen und dort tatsächlich für die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung zur Verfügung stehen muss.

Ein wörtliches Angebot reicht jedoch gem. § 295 BGB aus, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er werde die Arbeitsleistung nicht annehmen, oder wenn zur Erbringung der Arbeitsleistung eine Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers erforderlich ist. Dabei reicht es aus, wenn sich dies mittelbar oder konkludent aus den Handlungen oder Erklärungen des Arbeitgebers ergibt, etwa durch Ausspruch einer Kündigung, die Verweigerung des Zutritts oder die Nichtzurverfügungstellung von notwendigen Arbeitsmitteln (z.B. Sperrung von Dienst-PC oder Diensthandy, Entzug von Schlüsseln). Für ein wörtliches Angebot reicht eine auch konkludente Willenserklärung des Arbeitnehmers aus, aus der sich ergibt, dass er weiterarbeiten will (z.B. durch Erhebung der Kündigungsschutzklage).

Nach § 296 S. 1 BGB ist jedoch ein Angebot des Arbeitnehmers überflüssig, wenn der Arbeitgeber zur Erbringung der Arbeitsleistung eine Mitwirkungshandlung vorzunehmen hat, die kalendermäßig bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung ist diese Norm anzuwenden auf die häufigste Konstellation des Annahmeverzuges, in welcher der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers aufgrund einer arbeitgeberseitigen Kündigung zurückweist, die sich im Nachhinein als rechtsunwirksam herausstellt. Für diesen Fall ist ein tatsächliches oder wörtliches Angebot gem. § 296 BGB entbehrlich.

(3) Leistungsfähigkeit und -willigkeit

Für den Annahmeverzug ist weiter Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer gem. § 297 BGB leistungsfähig und leistungswillig ist. An der Leistungsfähigkeit gem. § 297 BGB mangelt es insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugszeitraums arbeitsunfähig krank ist. Für Krankheitszeiten innerhalb des Annahmeverzugszeitraums besteht lediglich ein Vergütungsfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften, nicht jedoch ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn.

Neben diesen objektiven Leistungshindernissen schließt auch die subjektive Leistungsunwilligkeit den Annahmeverzug aus.

Dabei ist der Arbeitgeber sowohl für mangelnde Leistungsfähigkeit als auch für mangelnde Leistungswilligkeit darlegungs- und beweispflichtig. Aus der Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit während des Kündigungsschutzprozesses kann regelmäßig nicht auf mangelnde Leistungswilligkeit geschlossen werden, da der Arbeitnehmer nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess das Wahlrecht zwischen dem alten und dem neuen Arbeitsplatz hat (§ 12 KSchG). Anders ist es, wenn der Arbeitnehmer von sich aus erklärt, das Arbeitsverhältnis sei völlig zerrüttet, er werde sich eine neue Arbeitsstelle suchen.

(4) Nichtannahme der geschuldeten Arbeitsleistung

Schließlich ist Voraussetzung für den Annahmeverzug die Nichtannahme der geschuldeten Arbeitsleistung. Dabei liegt Nichtannahme nicht nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers überhaupt nicht annimmt, sondern auch dann, wenn er ihm eine andere als die geschuldete Tätigkeit zuweisen will. Nach § 298 BGB liegt Nichtannahme ferner vor, wenn der Arbeitgeber zwar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers annehmen, die geschuldete Gegenleistung – das Arbeitsentgelt – jedoch nicht erbringen will.

Ein Verschulden ist für den Annahmeverzug keine Voraussetzung. So gerät der Arbeitgeber auch dann in Annahmeverzug, wenn er z.B. schuldlos von der Rechtswirksamkeit seiner Kündigung oder der Rechtswirksamkeit einer durchgeführten Aussperrung ausgeht. Ganz ausnahmsweise tritt bei besonders groben Pflichtverstößen des Arbeitnehmers wegen Unzumutbarkeit kein Annahmeverzug ein. Hierzu ist ein besonders grober Vertragsverstoß und die Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers, seiner Familienangehörigen oder anderer Arbeitnehmer, deren Schutz Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes hat, erforderlich.

2. Persönliche Hinderungsgründe

Auch dann, wenn die Arbeitsleistung ohne Verschulden des Arbeitnehmers aus persönlichen Gründen unmöglich geworden ist, kann der Arbeitnehmer unter gewissen Voraussetzungen Lohn- oder Gehaltszahlungen vom Arbeitgeber verlangen. Gemäß § 616 BGB bleibt der Vergütungsanspruch erhalten, wenn der Arbeitnehmer

  • für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit
  • durch einen in seiner Person liegenden Grund
  • ohne sein Verschulden

an der Arbeitsleistung verhindert ist.

Eine Arbeitsverhinderung kann vorliegen, wenn die Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer unmöglich (z.B. durch Teilnahme an der eigenen Hochzeit) oder sie ihm unzumutbar ist (z.B. bei Hochzeit des eigenen Kindes). Die Unzumutbarkeit kann sich insbesondere aus übergeordneten rechtlichen oder sittlichen (familiären) Gesichtspunkten ergeben. So zum Beispiel bei Erkrankung eines im Haushalt des Arbeitnehmers wohnenden Kindes unter 12 Jahren, falls die Betreuung nach ärztlichem Attest durch den Arbeitnehmer notwendig ist.

Die Arbeitsverhinderung muss ihren Grund in den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers haben. Darunter fallen nicht sog. objektive Hinderungsgründe, z.B. ein witterungsbedingtes Zuspätkommen des Arbeitnehmers. Zudem muss der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert sein.

Die Arbeitsverhinderung darf verhältnismäßig nicht erheblich sein. Hierbei sind die Art der Verhinderung und die bisherige Dauer der Beschäftigung zu beachten. Die Obergrenze liegt jedoch deutlich unter den sechs Wochen, die § 3 Abs.1 EFZG für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorsieht.

Durch Tarifvertrag oder Einzelvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann von diesen Grundsätzen auch zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden.