Ironie als unzulässig versteckte Botschaft
LAG Hamm, Beschluss vom 14.11.2016, 12 Ta 475/16
Ein übertrieben gutes Zeugnis ist nicht korrekt, wenn die positiven Formulierungen ironisch klingen.
Der Fall:
Arbeitnehmer und Arbeitgeber hatten sich im Rahmen eines zuvor bestrittenen Gerichtsverfahrens im Rahmen eines Vergleichs darauf geeinigt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis erteilt und der Arbeitnehmer dazu einen Formulierungsvorschlag einreichen kann. Die Klausel hatte folgenden Wortlaut:
„Die Beklagte erteilt dem Arbeitnehmer ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis. Dem Arbeitnehmer bleibt nachgelassen, der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Diese darf nur aus wichtigem Grund abweichen.“
Daraufhin legte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen Zeugnisentwurf vor, den dieser auch verarbeitete. Allerdings fügte er insgesamt 13 positive Übertreibungen ein. So änderte er beispielsweise die Leistungsbewertung von „Wir bewerten ihn mit >sehr gut<“ zu „Wenn es eine bessere Note als >sehr gut< geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“. Die Dankes- und Bedauernsformel änderte er hingegen ins Negative ab, sodass statt „Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.05.2015 auf eigenen Wunsch, was wir sehr Bedauern“ im Zeugnis stand: „Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.05.2015 auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen“.
Der Arbeitnehmer beantragte in der Folge beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes, mit der Begründung, dass der Arbeitgeber seine Pflicht zur Zeugniserteilung aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht erfüllt habe. Das Arbeitsgericht setzte ein Zwangsgeld in Höhe von € 1.000,00 fest, da es das erteilte Zeugnis nicht als ordnungsgemäße Erfüllung der im Vergleich titulierten Verpflichtung gelten ließ. Der Arbeitgeber legte gegen diese Festsetzung sofortige Beschwerde ein.
Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde des Arbeitgebers nicht ab. Auch in der zweiten Instanz scheiterte der Arbeitgeber: Das LAG wies den Antrag des Arbeitgebers auf Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses ab und gab dem Arbeitnehmer Recht.
Zur Begründung führte das LAG aus, dass die Parteien durch den gerichtlichen Vergleich die regulär beim Arbeitgeber liegende „Formulierungshoheit“ in Bezug auf ein Arbeitszeugnis bewusst auf den Arbeitnehmer übertragen hätten. Der Arbeitgeber konnte in diesem Fall daher nur aus wichtigem Grund von dem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers abweichen. Eine sachliche Begründung für die Abweichungen konnte der Arbeitgeber aber nicht vorbringen. Zudem bewertete das LAG die übertrieben positiven Formulierungen des Arbeitgebers als Ironie. Diese Ironie, so das LAG, stelle eine unzulässig versteckte Botschaft gem. § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO dar. Den Eindruck der Ironie begründete das LAG mit der Häufigkeit der übersteigerten Bewertungen, der außergewöhnlich formulierten Leistungsbewertung und schließlich aus der negativ formulierten Dankes- und Bedauernsformel. Wäre der Arbeitnehmer tatsächlich so hervorragend gewesen, wäre ein Ausscheiden für den Arbeitgeber ein bedauerlicher Verlust, den man nicht einfach nur „zur Kenntnis nehmen“ würde, so das LAG.